Auszubildenden größere Verantwortung übertragen und die Digitalisierung im Betrieb vorantreiben. Ein Gewinn für mehrere Seiten – das ist die Idee hinter den Digiscouts®. Geht diese Idee auf?

Digiscouts®-Coach Jennifer Ferber von der RKW Bremen GmbH gibt Auskunft.

RKW Bremen: Jennifer, du bist eine der Ansprechpersonen für die Digiscouts® im Land Bremen. Was genau sind die Digiscouts®?

Jennifer Ferber: Hinter den Digiscouts® steckt ein Projekt speziell für Auszubildende. Die Azubis gucken durch die Brille der Digital Natives. Mit dieser Brille machen sie sich als Digiscouts® in ihren Ausbildungsbetrieben auf die Suche nach möglichen Digitalisierungsprojekten. Am besten funktioniert das in Gruppen von 2 bis 5 Personen. Die Azubis schauen, was in ihrem Betrieb verbessert werden kann. Das können zum Beispiel Abläufe sein, für die im regulären Arbeitsalltag keine Kapazitäten vorhanden sind.

Im Rahmen der Digiscouts® machen Azubis sich auf den Weg innerhalb von 6 Monaten das von ihnen ausgewählte Thema anzugehen und im besten Fall zu lösen.

Wie kommen Azubis und Unternehmen mit dem Projekt Digiscouts® zusammen?

Interessierte Unternehmen melden sich bei uns. Im Optimalfall lassen sich die Betriebe ganz ohne eine vorherige Idee auf das Digitalisierungs-Projekt ein und überlassen komplett den Azubis die Ideenfindung. Es kommt aber auch vor, dass die Unternehmen bereits vorher Ideen haben, die sie an die Azubis übertragen.

Warum lohnt sich die Teilnahme an den Digiscouts®?

Die Azubis lernen ganz viel zu Projektmanagement und eigenverantwortlichem Arbeiten. Sie selbst verteilen Arbeitsaufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb des Teams.

In dem Projekt-Tool, das wir nutzen, gibt es einige Online-Workshops, in denen die nächsten Schritte definiert sind. Die Azubis erhalten zum Beispiel eine Einführung zum Projektmanagement und zu Nachhaltigkeit.

Die Azubis werden auch von ihren Ausbilder*innen begleitet. Die eigentliche Aufgabe, die Hauptverantwortung, übernehmen aber die Azubis selbst. Dabei lernen sie den Betrieb und die Mitarbeitenden noch besser kennen.

Welches sind die optimalen Rahmenbedingungen für Betrieb und Auszubildende, um sich für die Digiscouts® zu bewerben?

Es spielt keine Rolle, wie lange die Azubis bereits im Betrieb sind. Ich halte es aber für hilfreich, wenn die Auszubildenden nicht erst zwei Monate im Unternehmen sind. Kurz vor Ende der Ausbildung könnte es auch stressig werden, etwa wenn Prüfungen anstehen.

Meine Empfehlung ist, 2 bis 3 Azubis für ein Projekt einzusetzen. Es handelt sich um eine zusätzliche Aufgabe, die neben der eigentlichen Ausbildung stattfindet. Für die Digiscouts® sollten etwa 2 bis 3 Stunden in der Woche eingeplant werden.

Es ist nicht die Idee, dass die Azubis für die Digiscouts® Überstunden anhäufen, sondern dass die Azubis für diese Zeit freigestellt werden.

Ein Azubi allein kann auch Digiscout werden, das bedeutet aber mehr Arbeit, weil du die Aufgaben im Umfang der 2 bis 3 Stunden nicht mehr unter mehreren Personen aufteilen kannst, sondern sie allein übernimmst.

Was ist deine Aufgabe bei den Digiscouts®?

Ich begleite die Azubis als Coach auf diesem sechsmonatigen Weg: Von der Auftaktveranstaltung bis zur Abschlussveranstaltung bin ich für sie da. Ich unterstütze bei der Ideenfindung und stehe den Azubis die ganze Zeit als Ansprechperson zur Seite.

Wir arbeiten, wie gesagt, mit einem digitalen Projektmanagement-Tool, das das Ganze strukturiert. Ich habe im Blick, ob die Azubis die anfallenden Aufgaben in der richtigen Frist erledigt haben, frage nach, wenn irgendetwas nicht funktioniert, bin Ansprechpartnerin, wenn Azubis Fragen oder Probleme haben. Ich besuche die Azubis in ihren Betrieben und bespreche mit ihnen die verschiedenen Ideen auf Wirtschaftlichkeit, Machbarkeit und Sinnhaftigkeit.

Zeitliche und personelle Ressourcen in Betrieben können knapp sein. Die Vorstellung, sich zusätzliche Aufgaben oder Projekte ins Haus zu holen, ist auf den ersten Blick nicht attraktiv. Warum sollten ich und mein Beitrieb dennoch die Zeit aufbringen, bei den Digiscouts® mitzumachen?

Digitalisierung ist ein wichtiges, unumgängliches Thema. Die Teilnahme an den Digiscouts® kann für Unternehmen einen Einstieg in die Thematik bedeuten.

Ich sehe in der Teilnahme an den Digiscouts® einen Mehrwert für alle, sowohl für die Betriebe als auch für die Auszubildenden.

Natürlich ist es am Anfang ein zeitliches Investment, das ist richtig, aber die Vorteile überwiegen: Zum einen das Thema Digitalisierung an sich – die Teilnahme an den Digiscouts® ist gerade für kleine und mittelständische Betriebe tatsächlich häufig ein erster Schritt, sich der Thematik zu öffnen. Die Azubis stoßen bei ihrer Suche auf zwei bis drei Ideen. Von denen setzten sie eine um. Häufig nehmen die Unternehmen sich anschließend aber auch der weiteren Ideen an und versuchen auch diese Stück für Stück umzusetzen und zu digitalisieren.

Es gibt ein Ringen um Fachkräfte, der Azubimarkt ist heiß umkämpft. Und die Azubis lernen über ihre Ausbildung hinaus; bekommen ganz viel Projektmanagement mit, müssen sich organisieren. Das kann ein starkes Argument für Unternehmen sein.

Und wirklich nicht zu unterschätzen ist, wie die Azubis persönlich an dem Projekt und ihren Aufgaben wachsen. Wenn ich vergleiche, wie viele Unsicherheiten und Sorgen anfangs im Raum stehen. Und dann sehe ich, wie selbstständig sie werden. Es ist ein Rollenwechsel, der dort vollzogen wird. Und der macht ganz viel: Sie sind plötzlich Expert*innen für ein Thema, nicht „nur“ Azubis. Sie werden selbstbewusster, sie wachsen über sich hinaus.

Das Projekt ist so viel mehr als nur „wir machen jetzt mal Digitalisierung“.

Besteht mit knappen zeitlichen Ressourcen nicht dennoch die Gefahr, dass sich die Azubis überfordert oder alleingelassen fühlen?

Nein, dafür bin ich ja auch noch da. Als Coach bin ich für die Auszubildenden jeden Tag ansprechbar. Zwei, drei mal die Woche stehen wir mindestens im Austausch.

Über das Projektmanagement-Tool können alle sehen, wo wir gerade stehen. Dort können die Digiscouts® Fragen und Probleme formulieren und dann nehmen wir Kontakt zu ihnen auf.

Und natürlich können wir auch telefonieren, uns online zusammenschalten oder ich komme in den Betrieb. Gemeinsam finden wir Lösungen, wenn es mal harkt.

Ein Digiscouts®-Durchgang dauert sechs Monate. Was passiert dann?

Im Optimalfall ist das Projekt nach dem halben Jahre abgeschlossen und die bearbeitete Idee kann direkt im Betrieb eingeführt werden. Manche Arbeitsgruppen befinden sich zum Abschluss der Projektarbeit in einer Testphase.

Der Durchgang endet mit einer Abschlussveranstaltung, auf der die Azubis ihre Projektideen an einem Messestand präsentieren. Die Azubis erstellen auch kleine Videos, in denen sie das Projekt vorstellen.

Wie sieht es unternehmensübergreifend mit dem Kontakt unter den Azubis aus?

Auch hier gilt: voneinander lernen, miteinander lernen. Wir haben die gemeinsame Auftaktveranstaltung. Dort lernen sie sich kennen, können sich austauschen. Für eine kurze Workshop-Session teilen wir die Azubis und die Ausbildenden in zwei Gruppen, um den Austausch zu intensivieren, erste Ideen für den Start zu entwickeln und Fragen zu klären. Dann gibt es zwischendurch noch einen Erfahrungsaustausch, der online stattfindet und zuletzt haben wir noch die Abschlussveranstaltung.

Wie schaffe ich mir als Unternehmen die erforderlichen Kapazitäten?

Wichtig ist für Unternehmen im Vorfeld klarzuhaben, dass die Azubis Lust und Zeit haben. Wenn die Azubis sich das Projekt nicht zutrauen oder sagen, bald stehen Prüfungen an, dann hat es wenig Zweck. Die Azubis brauchen 2 bis 3 Stunden die Woche für die Digiscouts®. Für die begleitenden Ausbilder*innen sind es etwa 30 Minuten Zeitaufwand pro Woche. Das ist überschaubar. Manchmal ist mehr zu tun und manchmal weniger.

Und die Projektschritte sind zeitlich flexibel gestaltbar. Wenn die Azubis sagen, wir schaffen es diese Woche einfach nicht, dann schaffen sie es nicht. Und das ist dann in Ordnung. Solange wir als Coaches darüber informiert sind und die Schritte und Herausforderungen nachverfolgen können, können wir auch eine Lösung dafür finden.

Der Schlüssel ist die Flexibilität. Wir können über alles reden.

Sind die Digiscouts® für alle Branchen geeignet?

Ich glaube, der springende Punkt ist die Bereitschaft, sich auf Veränderung einzulassen. Manchmal ist für Unternehmen der Zeitpunkt nicht passend. Aber grundsätzlich sind die Digiscouts® für KMU aller Branchen geeignet.

Welcher Moment ist dir bei deiner Arbeit als Digiscouts®-Coach in besonderer Erinnerung geblieben?

Die letzte Abschlussveranstaltung war für mich ein besonderer Moment. Ich war so stolz auf die Azubis, auf das, was da entstanden ist. Und ich hatte das Gefühl, dass die Azubis auch sehr stolz waren. Das hat mich sehr berührt. Es war so viel Freude im Raum, das war schön.

Und es gab ein Unternehmen, bei dem es zwischenzeitlich durch strukturelle Gegebenheiten zu Schwierigkeiten kam. Die Auszubildenden mussten tatsächlich ihre Idee nochmal komplett umwerfen und ganz von vorne anzufangen. Und auch hier mit den Azubis zu reden und zu sagen, Hey, ihr kriegt das hin, das Blatt nochmal zu wenden – das war ein toller Moment. Zu sehen, wie die Azubis merken, es geht hier nicht weiter, aber wir wollen das unbedingt und dass sie sich dann so motivieren konnten, weiterzumachen – das war beeindruckend.

Eine letzte Frage: Wie können sich Unternehmen für die Teilnahme an den Digiscouts® bewerben?

Die formale Anmeldung funktioniert über www.digiscouts.de. Hier können Unternehmen bundesweit nach Digiscouts®-Durchgängen in ihrer Region schauen, finden Praxis-Beispiele, Termine für Info-Veranstaltungen und vieles mehr. 

Bei Interesse melden sich die Unternehmen aus Bremen am besten einfach telefonisch bei uns in der RKW Bremen GmbH. Dann können wir direkt alle Fragen individuell klären und bei der Anmeldung unterstützen.

Jennifer Ferber, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für den nächsten Durchgang!

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Sie wollen mehr über die Digiscouts erfahren?

Rufen Sie uns an, wir freuen uns auf das Gespräch! Übrigens: Am 20. März 2025 startet der nächste Durchgang der Digiscouts® - in Kooperation mit der Handwerkskammer Bremen. Anmeldeschluss ist der 13. März 2025.

Jennifer Ferber Enterprise Europe Network / Digitalisierungsberatung

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Jennifer Ferber

Harm Wurthmann Geschäftsführung / Digitale Transformation

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Harm Wurthmann

Förderung

Digiscouts® ist ein Projekt des RKW Kompetenzzentrums und wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.