Sonnentracht setzt auf einfache Sprache im Betrieb
Marco Eschen fühlt sich nicht immer verstanden. Er ist Schichtleiter bei Sonnentracht, einem Bremer Bio-Lebensmittelproduzenten, der sich auf alternative Süßungsmittel und die Verarbeitung von Agavendicksaft und Kokosprodukten spezialisiert hat. Als Schichtleiter ist Marco Eschen unter anderem verantwortlich, dass das Team rechtzeitig zum Dienst erscheint. Nur so ist ein reibungsloser Ablauf der Produktion möglich.
Wichtig für einen reibungslosen Ablauf ist eine reibungslose Kommunikation. Gar nicht so einfach bei einem Betrieb, in dem Menschen aus acht verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen deutschen Sprachkenntnissen zusammenarbeiten. Da kann es leicht zu Missverständnissen kommen: „Einige Kolleg*innen kamen zu verkehrten Zeiten zur Arbeit. Als das häufiger passierte, haben wir festgestellt, dass nicht alle den Schichtplan richtig lesen können“, erzählt Marco Eschen.
Um dem Kommunikationsproblem auf die Spur zu kommen, sucht Sonnentracht Unterstützung bei der RKW Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz. Projektmitarbeiterin Béatrice Cécé durchschaut das Missverständnis bei der Schichteinteilung sofort: „Menschen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben, verstehen diese Begriffe nicht gut. Sie sind zu schwierig.“
Von einfachen Bildern und kurzen Sätzen
Die Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz unterstützt Unternehmen dabei, ihre innerbetriebliche Kommunikation zu verbessern – auf mündlicher und auf schriftlicher Ebene. Und mit einer gelingenden Kommunikation funktionieren die Arbeit und das Miteinander besser.
„Zuerst gab es eine Schulung für uns. Wir haben vorher gar nicht gemerkt, was für komplizierte Sätze wir manchmal sagen“, erzählt Marco Eschen. „Versuche einfache Wörter zu nutzen und mach kurze Sätze“, rät Béatrice Cécé von der Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz.
Aber nicht nur kurze Sätze – auch ein einfaches Bild kann helfen, Situationen zu verdeutlichen. „Warum malst du es nicht auf?“, fragt Béatrice Cécé. „Ich hatte nicht gedacht, dass es so einfach sein kann. Ein Bild malen und dann läuft die Sache. Ich wäre selbst nie auf die Idee gekommen!“, sagt der Schichtleiter.
Eine Sonne für die Frühschicht, ein Mond für die Spätschicht. „Es ist erstaunlich, mit welch einfachen Mitteln wir einen so großen Effekt erzeugen können“, zeigt sich Marco Eschen begeistert. Durch einfache, weltweit geltende Symbole kann die Arbeitseinteilung für alle klar und verständlich sein: „An diesem Tag haben mein Kollege und ich uns zusammen gefreut. Das Bild hat uns beide weitergebracht.“
Ein reibungsloser Ablauf ist unerlässlich für die Produktion
Charline Windels aus der Qualitätssicherung kennt das Problem mit der Sprache. Sie und ihre Kolleg*innen überwachen in dem Bio-Betrieb jeden Schritt auf dem Weg von der Rohware bis zum fertigen Produkt im Supermarktregal. Wenn bei diesem Prozess Arbeits- und Sicherheitsanweisungen nicht richtig umgesetzt werden oder etwas ins Stocken gerät, dann wirkt sich das auf alle Bereiche des Unternehmens aus. Das kann zur Verschiebung ganzer Liefertermine führen. „Es ist wichtig, dass die Arbeitsaufträge von allen verstanden werden.“
Mit einfachen Tipps zu einfacher Sprache
Ein häufiges Problem: Nicht alle Menschen trauen sich zu sagen, dass sie etwas nicht verstanden haben. „Wenn die Kommunikation schwierig ist, liegt das nicht alleine an den Menschen mit den geringeren Deutschkenntnissen“, erklärt Béatrice Cécé, „wenn eine Person meine Information nicht beim ersten Mal versteht, wird sie diese auch nicht beim zweiten Mal verstehen, wenn ich mich nicht anders ausdrücke.“ Das könne, wie beim Schichtplan, durch Visualisierung geschehen oder auch durch die Nutzung anderer, einfacherer Begriffe. Hilfreich sei es auch, deutlicher zu sprechen.
„Ich bin häufig einfach lauter geworden und habe gelernt, dass das genau der verkehrte Weg ist“, erzählt Marco Eschen. Die Kommunikationsberaterin rät, langsamer und ruhiger zu sprechen. „Das war für mich hilfreich, ich hätte es selbst gar nicht gemerkt“, erinnert sich der Schichtleiter, „das laute Sprechen wirkte sich auch negativ auf das Team aus. Jetzt ist die Stimmung besser.“
Schriftliche Kommunikation – komplex bedeutet nicht immer gut
Neben der mündlichen Kommunikation arbeitet Sonnentracht mit Hilfe der Servicestelle daran, schriftliche Dokumente wie Urlaubsanträge, Schulungsunterlagen und Sicherheitsanweisungen zu vereinfachen.
In einem Workshop zu einfacher Sprache in schriftlicher Kommunikation spielt die Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz mit Sonnentracht eine betriebsinterne Arbeitsanweisung durch. „Unsere Arbeitsanweisung zum Thema Reste und Schwund war super kompliziert und auch schon etwas älter. Da wusste die eine oder andere Person mit deutscher Muttersprache schon nicht, was gemeint war“, lacht Charline Windels aus der Qualitätssicherung.
Béatrice Cécé macht dem Sonnentracht-Team deutlich, dass ein guter Text nicht automatisch kompliziert sein muss. „Uns fehlte absolut das Verständnis, dass man eine Arbeitsanweisung auch einfach schreiben kann. Vielleicht kommt das noch aus dem Studium. Oder aus der Vorstellung, dass ein Text nur dann als professionell gilt, wenn er kompliziert geschrieben ist“, reflektiert Charline Windels
Die investierte Zeit zahlt sich aus
Im Arbeitsalltag fehlt oft die Zeit, Kommunikationsprozesse im Betrieb neu zu gestalten. Manchmal braucht es einen Anstoß von außen. „Nach den Workshops haben wir uns hingesetzt und unsere Anweisungen selbstständig bearbeitet. Wir haben ein Schema erstellt, um die großen Prozesse abzubilden. Dabei haben wir nicht Drumherum geschwafelt, sondern nur das aufgeschrieben, was gemacht werden soll. Einfach und klar. Und wir haben es mit Hilfe von Bildern untermalt. Jetzt haben wir schon einige Arbeitsanweisungen in Einfache Sprache umgesetzt.“
Warum ist es wichtig, Zeit zu investieren, auch wenn sie knapp ist? Das Team von Sonnentracht ist sich einig: „Für die Workshops haben wir uns drei, vier Stunden genommen. Das hat sich gelohnt. Letztlich sparen wir Zeit und Mühe, wenn die Arbeitsanweisungen von Anfang an verstanden und richtig umgesetzt werden. Es macht den Job einfacher. Für alle!“
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